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Pädagogische Konzeption

Die Leitgedanken für eine Arbeit mit sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen werden davon geprägt, daß nicht nur Störungen überwunden werden können, sondern die Vorbereitung auf ein selbstgesteuertes Leben erfolgen soll. Deshalb ist unser Zusammenleben einerseits auf das Heranbilden von Fertigkeiten angelegt, andererseits geht es darum, dem Heranwachsenden Vertrauen und Selbstsicherheit zu vermitteln und über den persönlichen Egoismus hinaus zu führen. Wir machen Angebote, Vorschläge, um herauszufinden, welche Wertigkeiten im eigenen zu gestaltenden Leben eine Rolle spielen sollten. Verschiedene Faktoren gehören dazu, wenn es um das Erwachen eigener Moralvorstellungen und Wertbegriffe geht, wenn nicht Fremdbestimmung sondern Eigeninitiative das Leben bestimmen soll. Unser Vorbild ist wichtig, wie das der Lehrer in der Schule auch. Das bewußte Heranführen an innere Werte, die dann auch zu sozialer Kompetenz führen, ist uns ein ernstes Anliegen. In vielen Gesprächen am Tisch oder der Bettkante bilden sich manchmal neue Wege. Deswegen legen wir so starken Wert darauf, daß die jungen Menschen Erlebnisse haben, daß sie mit ihren Sinnen offen sind, um ihre Umwelt wahrzunehmen. Nur über das gemeinsame Tun läßt sich oft ein verschlossener und in sich gekehrter oder auch rebellierender Mensch erreichen. So entstehen Erfahrungen, die prägen können, die zueinander führen, den sogenannten Nächsten erkennen lassen.

Oft ist der Beginn des Ganzen das Erleben und Durchführen der einfachen Lebensrhythmen. Vom Frühaufstehen zur Schule bis zum Schlafengehen gestalten wir den Tagesablauf in deutlicher und klar überschaubarer Weise, ebenso den Jahresablauf. Auch gemeinsames Essen ist ein Erlebnis.

Nach der Mittagspause findet die Hausaufgabenbetreuung statt, in der intensive Hilfen gegeben werden. So kann in aller Ruhe und Überschaubarkeit, die diese Kinder und Jugendlichen benötigen, um einen äußeren Halt zu finden, der gefundene Rahmen mit dem nötigen Lebensinhalt gefüllt werden. Daran sind alle Menschen, die zum Hause gehören, beteiligt. In unterschiedlicher Weise, aber mit dem selben Ziel, bringt jeder Erwachsene seinen individuellen Möglichkeiten in den Alltag ein und bemüht sich, diesen nicht eintönig werden zu lassen. Das Miteinander-Tun und -Leben ist der Maßstab. So finden sich jüngere Kinder zusammen oder ältere Jugendliche, die natürlich unterschiedliche Interessen haben. Nicht als große Horde oder Herde kann dies geschehen, sondern so individuell die jungen Menschen sind, so individuell müssen auch unsere Herangehensweisen und Angebote sein. Sinnvoll sollen die Kinder und Jugendlichen lernen, selbständig zu planen und zu organisieren. Dabei entdecken sie die eigenen Interessen und setzen sie nach und nach um. Hilfreich ist dabei, daß stets feste Bezugspersonen mit ihnen zusammmenleben. Das Gefühl, zu Hause sein zu dürfen, ohne Angst und Zweifel an wechselhaften Situationen und Lebenslagen drumherum, ist wichtig und heilsam. Unbeständigkeit und Unordnung haben die uns Anvertrauten in ihren Elternhäusern und sonstigen Herkunftsfamilien genügend erlebt. Das Unverbindliche muß zum Verbindlichen sich wandeln. So sieht ein Kind die Hauseltern täglich, sieht, wie deren Leben sich gestaltet, sie selber ein Stück davon sind, wohl wissend, daß es dennoch "nur" ein Ersatz ist. Wir graben zum Beispiel gemeinsam den Garten um, schneiden die Rosen oder liegen auch nur einmal faul in der Hängematte. In der gemeinsamen Küche wird mit umgerührt oder gar am Wochenende selber gekocht. Die Wäsche, all die kleinen Ämter, die zur Einübung der normalen Alltagstätigkeiten beitragen, werden erlernt für spätere selbständige Zeiten. Wie in jeder Familie ist es wichtig zu wissen, wie man Geschirr abwäscht, das eigene Zimmer staubsaugt oder den Papierkorb ausleert. Man rückt zusammen dadurch, daß Aufgaben gemeinsam bewältigt werden.

So gestalten die jungen Menschen ihren Hausabend, an dem Probleme, Planungen und sonstige wichtige Dinge und Unternehmungen besprochen werden. Kinder, Jugendliche und Erwachsene nehmen daran teil.

Die Konsumhaltung unserer Gesellschaft macht es den jüngeren Menschen nicht gerade einfach, Prozesse zu erleben und Naturerfahrung zu bekommen. Mitverantwortung für unseren großen Garten zu entwickeln, Gemüse und Obst anzubauen und zu ernten, Bäume und Büsche zu pflegen, Rasen zu mähen ist für unsere Kinder unabdingbar. Zu erleben, wie beim Landwirt nebenan die Kühe gemolken werden, Kälber geboren, unsere Hühner Eier legen, Obstbäume blühen, später Früchte tragen, das sind, trotz aller Errungenschaften unserer Zeit, heilsame Momente, die stärker prägen als ein Computerbild allein dies vermag oder das Fernsehgerät. Natürlich verschließen wir uns nicht der Welt, in der wir leben, aber wir wissen, daß gerade unsere Kinder und Jugendlichen von dieser Welt überfordert sind, wenn sie nicht die Chance haben, sie stückchenweise zu erlernen. Um dieses Lernen spürbarer und interessanter zu machen, haben wir die Möglichkeiten aufgegriffen, die sich aus unserem Hause selber ergeben. Dies ist der Ansatz, kunsttherapeutisch zu wirken und erlebnisorientierte Erfahrungen an die jungen Menschen heranzubringen. Wie unter der Rubrik Freizeitangebote zu lesen, stehen da viele Möglichkeiten zur Verfügung.

Gerade die Chance zu nutzen, spielerisch, künstlerisch und phantasiebezogen die Kinder und Jugendlichen erreichen zu wollen und zu können, ergibt faszinierende Augenblicke. Malend, plastizierend, musizierend oder schauspielerisch auf die seelischen Nöte der von uns betreuten jungen Menschen eingehen zu können und heilsame Angebote zu machen, ist ein Schlüssel, der zwar nicht immer paßt, aber dennoch unser besonderes Anliegen darstellt. Pädagogische und spezielle therapeutische Hilfen können und wollen wir geben; sie sind auf unsere beruflichen Qualifikationen abgestimmt. Gemeinsam mit unserem betreuenden Hausarzt, dem Diplom-Psychologen und dem Kunsttherapeuten erarbeiten wir im Team die heilpädagogischen und therapeutischen Ansätze, wenn sie im Einzelfall der verwundeten Seele eines uns anvertrauten Kindes oder Jugendlichen notwendig erscheinen. Für unser Tun ist es wichtig, nie die Eltern und Geschwister zu vergessen, die ja wichtige Rollen spielen für die bei uns lebenden Kinder und Jugendlichen. Wir unterstützen, wenn möglich, gegenseitige Besuche, tauschen Informationen aus, um beiden Seiten helfend zur Seite stehen zu können. Dazu gehört auch die Umsetzung von gegebenenfalls familientherapeutischen Hilfestellungen für die Familien, um Chancen aufzuzeigen, Wunden heilen zu helfen, neue Bilder voneinander zu ermöglichen, die ein Aufeinanderzugehen entwickeln können. Nach vielen Jahren treffen sich so manchmal Kinder und Eltern wieder zum ersten Mal, wenn sie früh getrennt wurden voneinander.

Zur Koordination dieses Tuns haben im Team regelmäßige Besprechungen ihren Platz, die gleichzeitig auch zu internen Fortbildungen umfunktioniert werden können und sollen, gestaltet von Teammitgliedern oder Außenstehenden, um Neues zu lernen und aktuell zu sein. Im Vordergrund steht dabei, daß wir nicht "Fälle" bearbeiten und bereden, sondern daß es um konkrete Menschen geht, die ganzheitlich angeschaut werden müssen, um nichts zu versäumen. Wie sagte schon Antoine de Saint-Exupéry in "Der kleine Prinz":

"Man sieht nur mit dem Herzen gut! Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

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